Der GÖD

Alfred Dorfer in DER ZEIT 3/2015

Demokratie ist ein mühsames Geschäft. Und zeitraubend ist sie überdies. Entscheidungsprozesse ziehen sich in die Länge. Bis einmal etwas feststeht, das kann dauern.
Gut sechs Wochen ist es nun beispielsweise her, dass die Personalvertretungswahlen des Bundes geschlagen wurden. Nur, ein Endergebnis gibt es dafür noch immer nicht. Verantwortlich dafür ist die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, besser unter der Abkürzung GÖD bekannt.
In diesem Gremium herrscht Uneinigkeit, da in Vorarlberg bei der Fachgruppe der Berufsschullehrer eine unabhängige Namensliste mit knapper Zweidrittelmehrheit nicht den Unabhängigen Gewerkschaftern (abgekürzt: UG) zugerechnet wurde. Sondern sie wurde unter »Sonstige« eingeordnet. Also den SO oder so. Unter Anwendung dieser Formel, der ein gewisser mathematischer Widersinn nicht abzusprechen ist, würde die Fraktion Christlicher Gewerkschafter in der betreffenden GÖD Landesleitung an die alleinige Macht gelangen.

Offenbar herrscht bei den Gewerkschaften eine gewisse Unklarheit darüber, was der Begriff unabhängig besagt. Wenn sich eine Wahlliste lediglich als unabhängig, also nur als U, bezeichnet, reicht das noch lange nicht aus, um deshalb auch automatisch der Gruppe der UG zugerechnet zu werden. Es fehlt, wie jeder kritische Geist mit freiem Auge erkennen kann, ein essenzieller Buchstabe. Der macht den entscheidenden Unterschied aus. Klar: Unabhängig ist an sich schon mal okay, aber zugleich auch ein bisschen abhängig von der jeweiligen Zugehörigkeit.
Unabhängig davon ließ der stellvertretende GÖD-Bundesvorsitzende von der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter mit der politikwissenschaftlich bemerkenswerten Ansicht aufhorchen, ein Gesamtergebnis, das das gewerkschaftliche Kräfteverhältnis bei allen öffentlich Bediensteten der Republik widerspiegelt, sei ohnehin nur eine Fleißaufgabe. So zumindest zitierte die APA. Was soll der Unfug?
Bitte keine Fleißaufgaben bei der Gewerkschaft! Dafür sind sie nicht da. Das muss doch jedermann einleuchten. Wer braucht denn bei einer Wahl ein Gesamtergebnis? Viel entscheidender ist doch das richtige Ergebnis. Bisher, so der Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaften, habe es einen Konsens über das Wahlergebnis gegeben. Wer bisher der naiven Ansicht war, Wahlergebnisse seien schlichter Arithmetik geschuldet, wird eines Besseren belehrt. Sie werden beschlossen unter der Patenschaft des Vorstandes. Und für Patenschaften braucht es einen Paten, also einen Göd. Am besten von der GÖD. So macht Demokratie Sinn.

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